Interview mit Dirk Driesang im „Main-Echo“ Aschaffenburg am 6.9.17

Dirk Driesang: Das Bundesvorstandsmitglied der AfD über den Wahlkampf und das Überschreiten von Grenzen

ASCHAFFENBURG. Er gilt als realpolitischer Vertreter seiner Patei mit kritischer Distanz zu Alexander Gauland und Björn Höcke: Dennoch wurde Dirk Driesang bei einer AfD-Wahlkampfkundgebung am 4. September in Aschaffenburg von Gegendemonstranten ausgepfiffen.

Selbst linksalternative Aktivisten buhten den hauptberuflichen Opernsänger, der im Bundesvorstand seiner Partei sitzt, für dessen Forderung „Merkel abzuwählen“ aus. Im vor der Kundgebung geführten Main-Echo-Gespräch gab sich Dirk Driesang trotzdem zuversichtlich, dass die AfD bei der Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis einfährt. Die Fragen stellte Stefan Reis vom Main-Echo.

Main-Echo: Innerhalb der Alternative für Deutschland gibt es eine Alternative Mitte: Ist das nicht ein Kuriosum – eine Alternative zur Alternative?

Driesang: Wir haben uns als Alternative Mitte zusammengefunden, weil nach unserem Empfinden der sogenannte „Flügel“ innerhalb der Partei ein gefühltes Übergewicht hat. Vertreter des Flügels bestimmen derzeit die öffentliche Wahrnehmung …

 

Main-Echo: … Herr Höcke und Herr Gauland beispielsweise …

Driesang: … und ich kann mich sehr gut erinnern, dass Vertreter der Flügels uns vor Jahresfrist angesprochen haben, selbst aktiv zu werden – frei nach dem Motto: Mit einem Flügel kann man nicht fliegen. Als Alternative Mitte stellen wir ja nicht das Existenzrecht des Flügels in Frage – aber wir wollen ein politisches Gegengewicht setzen. Das ist zugleich die Chance für die Partei, wieder in eine Balance zu kommen, um in Sachdebatten einsteigen zu können. Momentan ist das Bild der AfD gelegentlich durch die Zuspitzung auf Personaldebatten geprägt – inhaltlich, in den programmatischen Forderungen, sind wir nach meinem Dafürhalten parteiintern allerdings ganz nah beieinander: Und das müssen wir darstellen, um der Gesellschaft zu zeigen, dass wir eine zutiefst bürgerliche Partei sind.

 

Main-Echo: Deren Bild vor allem durch Schlagworte geprägt wird, mit denen sich beispielsweise Alexander Gauland und Björn Höcke positionieren.

Driesang: Als ich 2015 in den Bundesvorstand gewählt wurde, habe ich meine politische Position sehr deutlich gemacht: Nation ja, Nationalstaat ja, Nationalismus nein. Als Bernd Lucke damals in die Wüste geschickt wurde, wurde allenthalben ein Rechtsruck der Partei beschworen: Den wird es mit mir nicht geben. Ich halte mich konsequent an die Aussage, die ich vor zwei Jahren beim Bundesparteitag den Mitgliedern gegeben habe. Ich habe für das Parteiausschlussverfahren gegen Herrn Höcke gestimmt. Ich habe Herrn Gauland für seine Äußerungen gegenüber der Integrationsbeauftragten Özoguz maßvoll, wir sind nun mal im Wahlkampf, kritisiert – wobei ich sein anderntags geäußertes Bedauern anerkenne. Und auch das muss gesagt sein: Dieses sogenannte Integrationspapier von Frau Özoguz ist völlig untragbar – auch das ist zu kritisieren. Aber: Auch im Wahlkampf sollten bestimmte Grenzen nicht überschritten werden.

 

Main-Echo: Wann ist für Sie die Grenze erreicht, um zu sagen „Das ist nicht mehr meine Partei“?

Driesang: Ich will das nicht präzisieren, aber ich sage Ihnen: Ja, es gibt für mich definitiv eine Grenze.

 

Main-Echo: Noch einmal gefragt: Als Opernsänger sind Sie das Drama gewohnt. Wann wird für Sie das Drama zur Tragödie?

Driesang: Wenn wir angesichts des Versagens der Regierungskoalition und ihrer Vorgängerregierung nicht die nötige Resonanz beim Wähler erhalten. In unserem Programm steht der Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – ein Satz, den mittlerweile 60 Prozent der Deutschen unterschreiben. Fast genau so viele sehen die Zuwanderung ins Land kritisch. Das bedeutet doch, dass die AfD mit ihren Aussagen mitten in der Gesellschaft steht und sogar Mehrheitsmeinungen vertritt. Rein theoretisch haben wir doch ein Riesen-Potenzial. Das können wir doch nur bergen, wenn wir es uns mit der bürgerlichen Mitte nicht verscherzen. Es geht da sehr häufig um die Sprache, gar nicht um die Inhalte. Wenn wir aus dieser Bundestagswahl einstellig herausgehen, dann haben wir einen großen Fehler gemacht.

 

Main-Echo: Vor einigen Wochen haben Sie auf Facebook noch ein Wahlergebnis von 20 Prozent für die AfD als realistisch ausgegeben.

Driesang: Ja, 15 plus x halte ich nach wie vor für möglich.

 

Main-Echo: Für möglich, wenn?

Driesang: Wenn wir den Wählern die Augen öffnen. Die SPD fordert auf Wahlplakaten „bezahlbaren Wohnraum schaffen“. Damit betrügt sie ihre Wähler: Einen Sozialstaat kann es nur mit funktionierenden Grenzen geben. Hunderttausende von Migranten konkurrieren natürlich mit jenen, die am wenigsten haben in unserer Gesellschaft: Das nenne ich Betrug an der Kernklientel der SPD. Auf CSU-Plakaten steht „klar für Sicherheit“. Wie soll das gehen mit offenen Grenzen? Wir erleben doch das Anwachsen von Kriminalität, die Statistiken dazu sind eindeutig und erschreckend.

 

Main-Echo: Aber lässt sich in einer globalisierten Welt die Nationalstaatlichkeit zurückbeschwören?

Driesang: In dieser globalisierten Welt eröffnet sich die Möglichkeit zu Wanderbewegungen bislang unbekannten Ausmaßes. Da werden Grenzen tendenziell wichtiger – nicht im Sinne von Mauern, sondern im Sinne eines Einwanderungsrechts, wie es beispielsweise Kanada vormacht: Dann suchen wir uns jene aus, die für unser Gesellschaftssystem qualifiziert sind.

 

Main-Echo: Sie benennen Terror und Anschläge als Zeugen für Ihre These. Aber hatten wir jemals ein gesellschaftliches Idyll? Dieser Tage jährt sich der Heiße Herbst des RAF-Terrors zum 40. Mal …

Driesang: … das stimmt, Terror ist kein isoliertes Phänomen. Aber Tatsache ist doch, dass sich Kriminalitätsraten in den vergangenen Jahren drastisch erhöht haben, teilweise mit bislang in unserem Land unbekannten Verbrechen wie Gruppenvergewaltigungen. Natürlich: Unter den Flüchtlingen gibt es sehr viele hochanständige Menschen – aber es gibt eben auch vor allem jene jungen Männer, die durch ihren islamischen Kulturkreis geprägt sind und zum Beispiel keinen Respekt vor Frauen kennen.

 

Main-Echo: Politik lebt von Kompromissbereitschaft …

Driesang: … genau. Als vergleichbar neue Oppositionspartei legen wir natürlich sehr stark den Finger in die Wunde. Mit Populismus hat das nichts zu tun. Und unser Anspruch ist es, 2021 soweit zu sein, Regierungsverantwortung mitzutragen.

Main-Echo: Wie gehen Sie denn mit persönlichen Anfeindungen um?

Driesang: Ich glaube, wir haben uns da eine dicke Haut zugelegt: Der Gegenwind war zu erwarten. Aber es bleibt ja nicht bei Anfeindungen und nicht zur Verfügung gestellten Veranstaltungslokalen, es gibt da ja auch die persönlichen Angriffe gegen Eigentum und Gesundheit von AfD-Mitgliedern. Wir wollen den Streit hart ausfechten, aber mit Worten. Bei öffentlichen Veranstaltungen müssen wir gegen Trillerpfeifenkonzerte anreden, die Polizei schützt da oft nicht das Versammlungsrecht …

 

Main-Echo: … wobei auch die AfD kein Kind von Traurigkeit ist: Merkels Auftritt Mitte August in Gelnhausen war begleitet von anhaltenden Pfeifkonzerten, „Hau-ab“- und „Verräterin“-Chören.

Driesang: Und auch da hätte die Polizei das Versammlungsrecht wahren müssen. Wut über das Versagen von Politik kann ich nachvollziehen – aber manche Wege würde ich dennoch nicht mitgehen: Auch in einem harten Wahlkampf gibt es Grenzen, ich möchte in der Debatte keine Entmenschlichung und will auch nicht solche Methoden, wie wir sie bei politischen Veranstaltungen leider immer wieder erleben.

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Zur Person: Dirk Driesang

Der gebürtige Bad Kreuznacher Dirk Driesang (53) ist seit 2013 Mitglied der AfD. Der Opernsänger (Bass) ist der einzige Bayer im Bundesvorstand und einer der Sprecher der im Juli in Bayern gegründeten Alternativen Mitte: eine Gruppe, die sich als Netzwerk für alle Mitglieder in der AfD sieht, die einen moderaten, pragmatischen und realpolitischen Kurs der Partei stärken wollen. Driesang ist Direktkandidat der AfD für die Bundestagswahl im Wahlkreis Nürnberg-Süd.


 

Hier können Sie dass Interview im Original lesen:

http://www.main-echo.de/ueberregional/politik/art4204,5065350